Bestands­er­he­bung heißt es stets am Anfang eines jeden Jah­res. Bestands­er­he­bung – was stark an Inven­tur, jedoch nicht an die Mit­glie­der eines Sport­ver­eins erin­nert – ist der Begriff, mit dem der Lan­des­sport­bund Hes­sen die jähr­li­che Mit­glie­der­sta­tis­tik eines Sport­ver­ei­nes erfasst.

In die­sem Jahr war die­se Sta­tis­tik­mel­dung lei­der eine sehr trau­ri­ge Ange­le­gen­heit für unse­re Turn­ge­mein­de 1862 e.V. Rüs­sels­heim. Konn­te der Ver­ein sich im letz­ten Jahr­zehnt jähr­lich stets über einen klei­nen Zuwachs an Mit­glie­dern freu­en, ging es im letz­ten Jahr steil berg­ab. In die­sem, durch die Coro­na-Pan­de­mie gebeu­tel­ten Jahr, hat unse­re Turn­ge­mein­de einen Ver­lust von 590 Mit­glie­dern zu ver­mel­den und zählt nun mehr noch 2832 treue Ver­eins­mit­glie­der. Und da noch lan­ge kein Ende der Pan­de­mie und damit wohl auch der Zwangs­schlie­ßung für unse­ren Sport­ver­ein in Sicht ist, ist zumin­dest die kurz­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve düster.

Spä­tes­tens der zwei­te Lock­down ging bei uns mit einer Wel­le an Kün­di­gun­gen ein­her, äußern sich die drei Vor­stands­mit­glie­der Danie­la Schmu­de­rer, Moni­ka Leit­z­bach und Mar­tin Skalsky. Dabei beto­nen die Vor­stän­de, dass sie die Rich­tig­keit der Maß­nah­men im Sin­ne der Pan­de­mie­be­kämp­fung in kei­nem Fal­le anzwei­feln, auch wenn die Fol­gen für den Ver­ein ver­hee­rend sind.

Anders als vie­le Sport­ver­ei­ne, die kei­ne eige­nen Sport­zen­tren unter­hal­ten, son­dern aus­schließ­lich städ­ti­sche Sport­an­la­gen nut­zen, machen unse­rer Turn­ge­mein­de beson­ders die lau­fen­den Unter­hal­tungs­kos­ten für das Sport­zen­trum in der Johann-Sebas­ti­an-Bach-Stra­ße zu schaf­fen. Auch die Hilfs­pro­gram­me von Bund und Land hel­fen da in keins­ter Wei­se wei­ter, da die­se nicht die aus­ge­fal­le­nen Bei­trä­ge der bis­lang 590 aus­ge­tre­te­nen Mit­glie­der erset­zen. Die Hilfs­pro­gram­me sind in ers­ter Linie für ent­gan­ge­ne Ein­nah­men aus Kur­sen, Ver­mie­tun­gen der Sport­hal­len, etc. da, aber nicht für die gemein­nüt­zi­gen Mit­glieds­bei­trä­ge, die den größ­ten Teil der Ver­eins­ein­nah­men aus­ma­chen. Die Poli­tik weist immer wie­der auf die sozia­le Ver­ant­wor­tung von Ver­ei­nen hin, lässt uns aber der­zeit im Stich, so Mar­tin Skalsky. Gera­de für Kin­der und Jugend­li­che sowie deren Fami­li­en bie­tet das ver­ant­wor­tungs­vol­le und gemein­sa­me Sport­trei­ben einen unschätz­bar posi­ti­ven sozia­len Wert.

Wenn der Prä­senz­un­ter­richt auf nicht abseh­ba­re Zeit wei­ter­hin aus­ge­schlos­sen sein soll­te, man aber Sport in klei­nen, fes­ten Grup­pen wie­der erlau­ben wür­de, wird der gemein­schaft­li­che und sozia­le Aspekt des Sports und einer Ver­eins­ge­mein­schaft um so wich­ti­ger, fügt Danie­la Schmu­de­rer an.

Selbst­ver­ständ­lich haben wir als Turn­ge­mein­de auch Ver­ständ­nis für man­che der Aus­trit­te. Wenn uns Mit­glie­der ver­las­sen, die von Kurz­ar­beit oder ande­ren Nöten durch die Pan­de­mie betrof­fen sind, dann ist das eher ver­ständ­lich, als wenn uns Mit­glie­der sagen, dass sie es wegen des aktu­ell feh­len­den Sport­an­ge­bo­tes nicht ein­se­hen, wei­ter­hin Bei­trä­ge zu zah­len. Wenn ver­mehrt so gedacht wird, gibt es den einen oder ande­ren Ver­ein wahr­schein­lich gar nicht mehr, bis sich die Lage nor­ma­li­siert hat, äußert sich Moni­ka Leit­z­bach besorgt.

Es ist auch viel Un- bzw. Halb­wis­sen in Umlauf. Vie­le sind der Mei­nung, durch die Schlie­ßung der Sport­an­la­gen und der Ein­stel­lung des Sport­an­ge­bo­tes müss­ten sie ihren Mit­glieds­bei­trag nicht wei­ter­zah­len. Der Mit­glieds­bei­trag ist jedoch ein Soli­dar­bei­trag und begrün­det die sat­zungs­ge­mä­ße Mit­glied­schaft im Ver­ein, die nicht an eine Gegen­leis­tung – in unse­rem Fal­le „ das Sport­an­ge­bot“ – gebun­den ist. Auch dür­fen Mit­glie­der- und Abtei­lungs­bei­trä­ge nicht erstat­tet oder aus­ge­setzt wer­den, da man sonst gegen das Mit­tel­ver­wen­dungs­ge­bot des §55 Nr. 1 AO ver­stößt und die Gemein­nüt­zig­keit gefähr­det. Als Ver­eins­mit­glied ist man also kein „Kun­de“, son­dern Teil des Ver­eins, ganz anders als bei einem gewerb­li­chen Sport­an­ge­bot, wie z. B. in einem gewerb­li­chen Fit­ness­stu­dio, erläu­tert es Mar­tin Skalsky.

Trotz der vie­len Aus­trit­te hal­ten wir als Turn­ge­mein­de dar­an fest, die Trai­ner und Übungs­lei­ter, für die der Zusatz­ver­dienst im Ver­ein exis­ten­ti­ell ist, zu unter­stüt­zen. Wir haben vie­le Trai­ner, die auf das Übungs­lei­ter­ge­halt ange­wie­sen sind. Die­se sind durch die Untä­tig­keit und das feh­len­de Ver­eins­le­ben – eben­so wie die loya­len Mit­glie­der – schon frus­triert genug, da kön­nen und wol­len wir sie nicht auch noch finan­zi­ell im Stich las­sen, so die Vorstände.

Auch unser Neu­bau­pro­jekt möch­ten wir nicht aus den Augen ver­lie­ren. Wir sind uns jedoch unsi­cher, wie sich die gesun­ke­nen Ein­nah­men auf die Finan­zie­rung aus­wir­ken. Ange­sichts des teil­wei­se maro­den Zustands des Sport­zen­trums kön­nen wir den Neu­bau jedoch gar nicht wei­ter auf­schie­ben, so Danie­la Schmuderer.

Dank­bar sind alle drei Vor­stands­mit­glie­der für unse­re loya­len Ver­eins­mit­glie­der, die dem Ver­ein wei­ter­hin die Treue hal­ten, vor allem auch dann, wenn ihr ange­stamm­tes Sport­an­ge­bot zur­zeit nicht wenigs­tens Online ange­bo­ten wer­den kann. Bei allen ärger­li­chen Aus­trit­ten muss man sich auch immer wie­der bewusst machen, wie vie­le Mit­glie­der der Turn­ge­mein­de die Treue hal­ten, auch wenn es ihnen viel­leicht sel­ber aktu­ell finan­zi­ell nicht gut geht.

Trotz­dem bleibt es span­nend, wie lan­ge unse­re Turn­ge­mein­de Rüs­sels­heim die der­zei­ti­ge Situa­ti­on noch aus eige­nen Kräf­ten stem­men kann. Eben­so wie Ein­zel­han­del, Gast­ge­wer­be und Co. wün­schen wir uns eine lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve für Sport­ver­ei­ne wäh­rend der Pan­de­mie, und es ist jetzt an der Zeit die­se zu dis­ku­tie­ren und dem Stel­len­wert der Ver­ei­ne für die Gesell­schaft nicht nur zu beto­nen, son­dern auch durch Taten zu unter­stüt­zen, so der Vorstand.